Das Magazin des German Design Council
Mit der „Ecodesign for Sustainable Products Regulation“ (ESPR) setzt die EU auf Kreislaufwirtschaft. Mit CORever übernimmt COR Verantwortung für langlebige Möbel: Ausrangierte Stücke werden aufgearbeitet, neu bezogen oder recycelt. © COR Sitzmöbel
Special zur ESPR – Teil 1

Die neue Norm der Nachhaltigkeit

Circular DesignKreislaufwirtschaft
Mit der „Ecodesign for Sustainable Products Regulation“ (ESPR) baut die EU auf die bislang geltende Ökodesign-Richtlinie auf und will eine weitreichende Circular Economy für fast alle Produkte etablieren. Was bedeutet die neue Norm der Nachhaltigkeit für Unternehmen und Design? Das klären wir im ersten Teil unserer dreiteiligen Serie.

Unternehmen, die bereits in Nachhaltigkeit und Circular Economy investiert haben, können sich jetzt entspannt zurücklehnen. Falls nicht, ist Eile geboten: Denn durch die Richtlinie „Ecodesign for Sustainable Products Regulation“ (ESPR), welche die Europäische Union am 18. Juli 2024 erlassen hat, wird Nachhaltigkeit für Produkte verpflichtend. Darin fordert die EU ganz klar, dass „nachhaltige Produkte die Norm werden müssen“. Die ESPR baut auf dem Erfolg der bislang geltenden Ökodesign-Richtlinie auf und soll in den kommenden Jahren eine Kreislaufwirtschaft gemäß dem EU Green Deal etablieren – um schließlich das Ziel der Klimaneutralität im Jahr 2050 zu erreichen. Dabei ist die ESPR ziemlich umfassend: Während die Ökodesign-Richtlinie bislang vor allem auf Energieeffizienz abzielte, wird nun der komplette Lebenszyklus von Produkten ins Visier genommen – darunter Herstellung, Materialien, Nutzung und das Recycling am „Lebensende“, um den ökologischen Fußabdruck des einzelnen Produktes und damit des gesamten europäischen Binnenmarktes erheblich zu senken. Dem Design und der Produktentwicklung kommen dabei eine bedeutende Rolle zu, da hier 80 Prozent der Umweltauswirkungen eines Produktes festgelegt werden.

Sukzessive Umsetzung

Die „Verordnung (EU) 2024/1781 zur Schaffung eines Rahmens für die Festlegung von Ökodesign-Anforderungen für nachhaltige Produkte“ als Teil des europäischen „Circular Economy Action Plan“ gilt für fast alle Produkte, die in der EU hergestellt oder vertrieben werden – bis auf wenige Ausnahmen wie Lebens- und Futtermittel, Fahrzeuge, Pharmazeutika sowie lebende Tiere und Pflanzen. Die ESPR fungiert dabei als Rahmen, der sukzessive in produktspezifischen Rechtsakten umgesetzt wird.

Ein Radical Change in der Transformation hin zu einer sozialeren, nachhaltigeren und zirkulären Wirtschaft: Nicht nur die Unternehmen sollen von der ESPR profitieren, die zum einen Energie sparen und zum anderen ihr Business wettbewerbsfähig für die Zukunft aufstellen, sondern auch die Konsument*innen. „Die ESPR ermöglicht den Verbraucher*innen, Energie zu sparen, kaputte Produkte zu reparieren und nicht ersetzen zu müssen, und beim Kauf neuer Produkte kluge ökologische Entscheidungen zu treffen“, sagt Frans Timmermans, ehemaliger Vizepräsident der EU-Kommission und hinlänglich bekannt als „der Vater des Green Deal”.

Erfolg des Ökodesigns

Doch was ändert sich genau? Um dies zu beantworten, lohnt es sich, die Ökodesign-Richtlinie mit der nun geltenden ESPR zu vergleichen. Die Ökodesign-Richtlinie kennt jede*r EU-Bürger*in – und zwar allein durch die Energielabels, die etwa an Kühlschränken und Leuchten zu finden sind. 2005 wurde die Ökodesign-Richtlinie für energiebetriebene Produkte von der EU eingeführt. 2009 wurde diese Richtlinie erneuert und auf energieverbrauchsrelevante Produkte ausgeweitet, sodass auch Produkte inbegriffen sind, die den Energieverbrauch anderer Systeme beeinflussen wie wassersparende Wasserhähne und Duschköpfe. In Deutschland wurde dies mit dem Energieverbrauchsrelevanten-Produkte-Gesetz (EVPG) in nationales Recht umgesetzt.

Die Ökodesign-Richtlinie kann als Erfolg gewertet werden. Geräte in der EU sind seit Einführung energieeffizienter geworden. Ein Beispiel: Private EU-Haushalte haben im Jahr 2021 dadurch 120 Millionen Euro an Energiekosten eingespart, was etwa 10 Prozent ihres Energiebedarfs entspricht. Allerdings muss man einräumen, dass  der Stromverbrauch der privaten Haushalte europaweit seit einigen Jahren trotzdem steigt – der sogenannte Rebound-Effekt. Diese Einsparungen sollen nun noch gesteigert werden: Durch die ESPR sollen bis 2030 ein Drittel der EU-weiten CO2-Emissionen reduziert werden. Damit ist die ESPR eine der wichtigen Säulen des EU Green Deal, der nicht nur die Klimaneutralität im Jahr 2050 avisiert, sondern auch grünes Wirtschaftswachstum, stärkere Rohstoffunabhängigkeit und mehr Biodiversität.

Lebenszyklus im Blick

Die ESPR wird den Ökodesign-Ansatz nun auf viele weitere Bereiche ausweiten. Konkret geht es um Haltbarkeit durch Wiederverwenden, Nachrüsten und Reparieren von Produkten. Recycling spielt ebenso eine große Rolle – sei es durch höhere Rezyklatanteile in den eingesetzten Materialien oder die Wiederverwertung am Lebensende des Produktes. Außerdem legt die Richtlinie fest, dass der Einsatz von kritischen Chemikalien minimiert werden muss, um die von der EU avisierte „Schadstofffreiheit von Luft, Wasser und Boden“ zu erreichen. Ein zentrales Element des neuen Rahmenwerks ist nicht zuletzt der digitale Produktpass, der für Transparenz sorgen und die Zirkularität erleichtern soll. Im Digital Product Passport (DPP) sollen Nutzer*innen und beteiligte Unternehmen wie Reparaturfirmen Informationen über technische und ökologische Performance, kritische Inhaltsstoffe sowie Pflege-, Reparatur- und Recyclingmöglichkeiten der Produkte finden. Insgesamt sollen dadurch der Ressourcenverbrauch und der CO2- beziehungsweise ökologische Fußabdruck gesenkt werden.

Zerstörung von Textilien verboten

Für öffentliche Diskussion sorgte bereits, dass es durch die ESPR in der EU ab 2025 verboten sein wird, neue Textilien und Schuhe zu vernichten. Ein Umstand, der gerade im Online-Handel durch die vielen Retouren gang und gäbe ist. Textilien sind eine der ersten Produktgruppen, für die die neuen Anforderungen umgesetzt werden sollen, ebenso wie für Möbel, Eisen, Stahl und Aluminium, Reinigungsmittel, Chemikalien und Elektronik- und Kommunikationsgeräte. Im März 2025 will die EU einen Zeitplan präsentieren, der die Anforderungen für die einzelnen Produktgruppen terminiert. Die ersten delegierten Rechtsakte dazu werden Ende 2026 erwartet. Um diese vorzubereiten, hat die EU im Herbst 2024 ein Ecodesign-Forum zusammengerufen, in dem Vertreter*innen aus den betroffenen Ländern und Branchen, teilnehmen und beraten.

Die EU weiß um die Schwierigkeit der Umsetzung für die Unternehmen. Daher wird es, sobald eine produktgruppenspezifischer Rechtsakt erlassen wurde, eine Übergangszeit von 18 Monaten geben. Für kleine mittelständische Unternehmen (KMU) soll es außerdem Ausnahmeregelungen geben. Bestehende, spezifische EU-Regulierungen für Produkte werden mit der ESPR harmonisiert, aber nicht ersetzt. Unternehmen sollten sich spätestens jetzt darauf vorbereiten, sich informieren, ihre Businessmodelle hinsichtlich der neuen Verordnung überprüfen, anpassen und gegebenenfalls erweitern – etwa durch Lifecycle-Assessments, Reparatur- und Rücknahmemöglichkeiten oder Konzepte wie Product-as-Service. Nur in integrierten Prozessen, in Zusammenarbeit von allen Unternehmensbereichen – insbesondere dem Design und der Produktentwicklung, den Lieferketten und schließlich auch mit den Nutzenden, werden Produkte den Anforderungen der neuen EU-Verordnung gerecht.

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