Was war eigentlich der Design Report?
Designinteressierte Leserinnen und Leser erinnern sich sicher an das Printmagazin Design Report. Über mehr als drei Jahrzehnte gab der Rat für Formgebung (heute: German Design Council) die Zeitschrift heraus, die das Designgeschehen im deutschsprachigen Raum maßgeblich prägte. Herausgeber und Name blieben in dieser Zeit konstant, während sich Ausrichtung, Erscheinungsbild und Redaktion immer wieder wandelten.
Gründung und Neuausrichtung
Der Design Report erschien erstmals 1987 und zuletzt im Februar 2019. Anschließend wurden seine Themen und sein Anspruch in neuer Form fortgeführt – zunächst online auf der Plattform ndion, und heute hier auf Design Perspectives sowie im dazugehörigen Podcast. Mit Design Perspectives führen wir den Gedanken des Design Report weiter: als Ort für fundierte Einblicke, Debatten und Perspektiven zu Design, Marke und Innovation – aktuell, digital und international vernetzt.
Vorläufer
Als Mediendienst im DIN-A4-Format wurde der Design Report 1972 gegründet. Mit diesem wollten der Deutsche Industrie- und Handelstag (DIHT) in Bonn und der Rat für Formgebung in Darmstadt gemeinsam deutschsprachige Medien über Design in und aus der Bundesrepublik informieren. Adressaten waren Redaktionen von Tagespresse und Fachzeitschriften, später auch Institutionen, Behörden und Designer*innen. In meist kurzen Beiträgen wurden aktuelle Themen abgehandelt. Nach drei Jahren zog sich der DIHT zurück. Der Informationsdienst wurde aus finanziellen Gründen 1984 eingestellt.


Neustart als Zeitschrift
Als der Rat für Formgebung 1987 nach Frankfurt aufs Messegelände umzog, kam mit Michael Erlhoff (1946–2021) ein neuer fachlicher Leiter und Geschäftsführer, der das Profil des Rates schärfte und dessen Aktivitäten ausweitete. Er setzte auf die Erweiterung des Design-Begriffs, nahm den Titel Design Report wieder auf, gründete die Zeitschrift gleichen Namens, als „konsistente und wahrhaftig öffentliche Publikation“. Von Elisabeth Budde, damals Erlhoffs Stellvertreterin, stammte die Gestaltung. Zunächst startete das Projekt als „Bulletin des Rat für Formgebung“ und zeigte das Rats-Gebäude auf dem Titel. Erlhoff übertrug den angehenden Journalisten Fabian Wurm und Thomas Edelmann, die gerade erste Texte zu Architektur und Design veröffentlichten, die Redaktion. Als Autor und Anreger spielte Jörg Stürzebecher am Rande der Redaktion eine Rolle.
Die Zeitschrift erschien nun mit der Unterzeile „Mitteilungen über den Stand der Dinge“. Jene späten 1980er Jahre waren eine Zeit des Aufbruchs für Design, das damals für Individualität und Variantenreichtum stand. Design Report war ein Forum, das Akteure im Design miteinander ins Gespräch brachte, dabei disziplinäre Grenzen von Gestaltung überwindend. Die Zeitschrift war kein Spiegel der Szenerie jener Jahre. Statt bunte Bilder zum Betrachten gab es Texte und Statements zum Lesen.
Veränderte Impulse
Ein erster Relaunch fand bereits 1988 statt. Grafikdesigner Michael Lenz übernahm – vermittelt durch Achim Heine – die Gestaltung des Heftes. Bald gründeten Heine, Lenz und Peter Zizka die Firma Heine/ Lenz/ Zizka, die noch heute in den Bereichen Branding sowie Buch- und Publikationsgestaltung Außergewöhnliches schafft. Basis jedes Heftes war ein Klebelayout mit exakt berechneten Bildgrößen in einem strengen, zugleich spielerischen angewandten Rastersystem, das im Druck- und Verlagshaus von Gerhard Steidl in Göttingen umgesetzt wurde. Redaktionell wurde Designförderung kritisch beleuchtet, Unternehmer*innen und Designer*innen diskutierten über deutsches und italienisches Design, die Reihe „Diskurs des Städtischen“ setzte Design ins Verhältnis zu Stadtplanung, Architektur und Soziologie. In der aufblühenden Designlandschaft der 1980er-Jahre wirkte das durchgängig in Schwarz-Weiß erscheinende Heft wie ein ruhiger Gegenpol, lediglich die Titelabbildung zeigte Farbelemente. 1988 gelang es, den Philosophen Vilém Flusser als Kolumnisten zu gewinnen. Seine Beiträge setzen sich mit der Bedeutung von Begriffen der Gestaltung auseinander, sprachlich klar und eben deshalb zunächst irritierend. Die Ausgaben, die zwischen 1987 und 1992 erschienen, waren von 1 bis 23 durchnummeriert. Als Erlhoff den Rat für Formgebung verließ, um die KISD (Köln International School of Design) zu gründen, entwickelten die Redakteure Fabian Wurm und Thomas Edelmann die Zeitschrift weiter. Doppelhefte waren Otl Aicher (18/19/1991) und Jean Prouvé (20/21/1992) gewidmet. Im Zuge der Wiedervereinigung rückten den Entwicklungen in den „Neuen Ländern“ der ehemaligen DDR in den Blick.



Für Fachleuchte und Publikum
Könnte der Design Report eine größere Leserschaft erreichen? Als Beilage einer Werbezeitschrift etwa, die dem Rat für Formgebung publizistische Präsenz bietet? Dies war eine Option. Im Präsidium setzte Michael Peters, damals Geschäftsführer der Media Frankfurt GmbH, eine andere durch: Das Magazin wurde bundesweit in Lizenz ausgeschrieben. Drei von fünfzig kontaktierten Verlagshäusern gelangten in die Endrunde. Den Zuschlag erhielt 1993 der MACup-Verlag in Hamburg, der Computer-Zeitschriften sowie das 1986 gegründete Grafikmagazin Page herausbrachte. Die Designerin und Journalistin Petra Schwab konzipierte als Chefredakteurin zusammen mit Thomas Edelmann eine Zeitschrift, die den Titel beibehielt, sonst aber mit den Vorläufern wenig gemein hatte. Das Blatt sollte die Designszene erreichen, darüber hinaus eine interessierte Öffentlichkeit ansprechen, die von Design mehr und anderes erwartet als in Wohnzeitschrift zu finden ist. Dies setzte einen multiperspektivischen Blick voraus.
Das Heft, gestalterisch neu erarbeitet von Art Direktorin Gabriele Günder und Arne Kluge, bot viele Anknüpfungspunkte für aktuellen Konsum, Neuheiten unterschiedlichster Produktsegmente wurden auf Designaspekte abgeklopft – vom Automobil über Möbel bis zu Haushaltsgegenständen. Textchefs wie Klaus Meyer und Ulrich Schmid achteten auf die Verständlichkeit der Texte. Zu regelmäßigen Kolumnisten wurden Heinz Hirdina (1942–2013) und Volker Albus (Jahrgang 1949), die im Wechsel designhistorische Analysen und Alltagsbeobachtungen lieferten.
1996 übernahm Thomas Edelmann die Leitung des Blattes als Chefredakteur. Sein Stellvertreter war Klaus Schmidt-Lorenz (1957–2023), der mit eigenen thematischen Schwerpunkten, seiner klaren Sprache und einer fundierten Grundhaltung das Magazin wesentlich beeinflusste. Was für den Designprozess gilt, spielt auch bei der Entstehung eines monatlichen Printmagazins eine Rolle: Voraussetzung ist die Zusammenarbeit vieler engagierter Akteurinnen und Akteure. Aus der Hamburger Phase des Design Report seien stellvertretend Uta Abendroth, Birgit Gebhardt (damals Müller), Kristina Deselaers (damals Kirschke), Kristina Raderschad und Nikola Wohllaib genannt. In späteren Phasen spielten Pauline Klünder, Armin Scharf und Nicolas Uphaus eine große Rolle.



Noch mehr Publikum
Die verlegerische Verantwortung wechselte 1998 zur Deutschen Verlagsanstalt nach Stuttgart. Hamburg blieb Standort der Redaktion. Art Direktor Oliver Lohrengel gab dem Heft eine neue Gestalt mit breiterem Format. Im veränderten Schriftzug rückte „Design“ nach vorn, das gespiegelte „e“ machte den gestalterischen Eingriff sichtbar. Die Titelgestaltung wurde stärker auf die erweiterte Zielgruppe ausgerichtet, eigene Fotoproduktionen bereicherten das Blatt. Christine Rampl schuf als Art Direktorin ab 2000 eine Reihe von markanten Ausgaben, die bis heute Bestand haben. Eine neue Interview- und Porträtreihe wurde etabliert, die Perspektive wurde internationaler. Mit dem Design Report Award erhielten Nachwuchsdesigner*innen in Mailand eine Auszeichnung.


Fokus auf die Szene
In den folgenden Jahren erlebte die Zeitschrift weitere konzeptionelle wie gestalterische Veränderungen. So setzte der Verlag 2001 in Stuttgart eine neue Redaktion zusammen. Für ein knappes Jahr war Otto Geberzahn Chefredakteur. Sein Nachfolger wurde der Grafikdesigner Martin Zentner, der zuvor das Magazin relauncht hatte. Nun sollte das Magazin stärker auf die Macherinnen und Macher des deutschen Industrie-Design ausgerichtet sein. Bald darauf übernahm der Konradin Verlag in Leinfelden-Echterdingen Design Report. Auf Martin Zentner folgte bald der Kulturwissenschaftler Lars Quadejacob als Chefredakteur, der das Magazin bis zum Jahr 2014 ruhig und entschieden veränderten Bedingungen anpasste. Designbüros und Designer gestalteten Magazintitel im Wechsel. Quadejacob begleitete die Zeitschrift zurück an ihren Ausgangsort Frankfurt. Dorthin holte der Rat für Formgebung den Design Report 2015 zurück. Als Designerin Wiebke Lang Chefredakteurin wurde, fand sie ein Magazin vor, das Groothuis Hamburg elegant gestaltete. Lang fokussierte noch stärker auf die Business-Ansprüche der Fachleserschaft und bereitete einen Relaunch vor. Doch mit Heft 2/2019 endete die Geschichte des Design Report. Da Anzeigen- und Lesermärkte in die digitalen Medienräume internationaler Tech-Unternehmen entschwinden, entsprach das einer weltweiten Entwicklung: dem Verschwinden gedruckter Designmagazine. Seither entstehen neue Medien, die vermitteln, welche Perspektiven Design künftig hat.



Publikationen, die auf Design Report zurückgehen
- Vilém Flusser: Vom Stand der Dinge. Eine kleine Philosophie des Design (Hrsg. Fabian Wurm), Steidl Verlag, Göttingen, 2022, ISBN 978-3-96999-069-8, 12,80 Euro
- Heinz Hirdina: Am Ende ist alles Design. Texte zum Design 1971–2004, (hrsg. von Dieter Nehls, Helmut Staubach, Achim Trebeß) form+zweck Verlag, Berlin, 2008, ISBN 978-3-935053-15-0, nur noch antiquarisch
- Jörg Stürzebecher: designreportagen (Hrsg. Ursula Wenzel) Brinkmann & Bose, Berlin 2025, ISBN 978-3-940048-48-6, 52 Euro
