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Hans (Nick) Roericht vor einer Auswahl des Geschirrs TC 100 (Diplomarbeit Roericht an der HfG) Foto: Claus Wille, 1960 © HfG-Archiv Ulm
Nachruf

Hans (Nick) Roericht: Gestalter mit Klarheit und Konsequenz

NachrufIndustriedesign
Wenn von Gestaltern die Rede ist, die Produkte über ihre Form hinaus in größere Zusammenhänge stellen, fällt unweigerlich der Name Hans (Nick) Roericht. Am 8. Dezember 2025 ist er im Alter von 93 Jahren in Ulm verstorben – in jener Stadt, die für ihn nicht nur Ausbildungsort, sondern bis zuletzt Heimat blieb.

Roericht studierte von 1955 bis 1959 an der HfG Ulm und setzte bereits mit seiner Diplomarbeit Maßstäbe: Das Stapelgeschirr TC 100, 1958 entwickelt und ab 1961 produziert, wurde zum internationalen Erfolg und 1968 sogar in die Sammlung des Museum of Modern Art, New York, aufgenommen. Mit seiner modularen Struktur formuliert es bis heute ein exemplarisches Verständnis funktionaler und systemischer Gestaltung.

Vom Ulmer Kontext in die Welt

Nach dem Studium arbeitete Roericht in der von Otl Aicher geleiteten Entwicklungsgruppe 5 (E5) innerhalb der HfG Ulm. Dort entwarf er das Bordgeschirr für die Deutsche Lufthansa – ein Projekt, das Funktionalität, Klarheit und logistische Effizienz beispielhaft verband.

Aicher bat ihn anschließend, nach München zu kommen und am Erscheinungsbild der Olympischen Spiele 1972 mitzuwirken. Gemeinsam mit dem Team entwickelte Roericht dort zentrale Gestaltungselemente; von ihm stammt unter anderem der Entwurf der Kunststoffschalensitze im Münchner Olympiastadion, die bis heute das Bild der Spiele prägen.

Mit der Gründung seines Büros „Produktentwicklung Roericht” 1967 entwickelte er seine Arbeitsweise weiter: Projekte für Wilkhahn, Siemens, Bosch, Rodenstock oder Loewe entstanden aus einer Haltung, die Analyse und Gestaltung eng miteinander verband. Seine „Studien“ – interdisziplinäre Untersuchungen von Möglichkeitsräumen – machten das kulturelle Umfeld einer Aufgabe sichtbar, bevor formale Lösungen entstanden. Der „Stitz“ und der erste recyclefähige Bürostuhl für Wilkhahn sind Ausdruck dieses forschenden Zugriffs.

Lehre als gemeinsamer Denkraum

Ab 1973 lehrte Roericht als Professor an der Hochschule der Künste Berlin. Er entwickelte ein Curriculum, das das konzeptionelle Entwerfen in den Mittelpunkt stellte, und prägte die Lehre durch Methoden wie phänomenologische Analysen, partizipatives Entwerfen und schließlich das Integrative Studium. Rund zwanzig seiner Studierenden wurden später selbst Professor*innen – ein Hinweis darauf, wie weit sein Einfluss reichte.

Das Roericht-Archiv, seit 2014 Teil des HfG-Archivs Ulm, versammelt Projektmaterialien, Bücher und eine an eine Wunderkammer erinnernde Sammlung von Objekten. Viele dieser Fundstücke nutzte Roericht als Anregung für Studierende und Mitarbeitende – Ausgangspunkte für das genaue Hinsehen, das für ihn ein wesentlicher Bestandteil des Entwerfens war.

Ein Gestalter der Übergänge

Zu seinem 90. Geburtstag haben wir Hans (Nick) Roericht bereits mit einem Artikel auf ndion am 15. November 2022 gewürdigt. Er hinterlässt ein Werk, das Orientierung bietet, indem es dazu ermutigt, die Welt nicht in isolierten Dingen, sondern in ihren Beziehungen zu gestalten.

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