Das Magazin des German Design Council
Nils Körner und Patrick Henry Nagel sind Haus Otto Foto: Julia Sang Nguyen
Haus Otto

Design mit Humor und Haltung

Design allein rettet die Welt nicht – doch es eröffnet neue Perspektiven, sagen Nils Körner und Patrick Henry Nagel von Haus Otto. Mit Projekten wie dem Farm Project, dem Salone di Aschau oder dem Zooom Rug zeigen die Stuttgarter Designer Witz und Tiefgang. Dafür wurden sie auf der Maison & Objet in Paris mit dem Rising Talent Award ausgezeichnet.

Schon der Name ist ein Statement: Haus Otto klingt sympathisch, irgendwie nach Spaß. Diesen verbinden die beiden Gründer Nils Körner und Patrick Henry Nagel mit frischem Design und aktuellen Botschaften. Die Absolventen der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart haben mit ihren Projekten zwischen Objektdesign, Raumgestaltung und Creative Direction bereits viel Aufsehen erregt: 2019 mit dem Upgrade der „One Dollar Glasses“, 2021 mit „Hold on“, einer originellen Idee zum Organisieren an der Wand. Im gleichen Jahr gestalteten sie das Concept Office für 8 Minutes mit flexiblen Möbeln. Jüngst fielen sie mit dem „Farm Project“ und dem „Salone di Aschau” auf. Nun werden sie im Rahmen der Maison & Objet 2025 in Paris als „Rising Talent“ geehrt. Jury-Mitglied Lutz Dietzold, Geschäftsführer des German Design Council – Rat für Formgebung, sagt: „Haus Otto verbindet visionäre Gestaltung mit sozialer Verantwortung – von nachhaltigen Möbeln über agile Arbeitswelten bis hin zu Projekten wie den ‚One Dollar Glasses‘, die Leben verändern. Ihr Design erzählt Geschichten, überrascht mit Humor und zeigt, wie relevant Gestaltung für unsere Zukunft ist.“ Man ahnt es schon, man sollte ein Auge auf die beiden haben. Doch der Reihe nach.

„Haus Otto verbindet visionäre Gestaltung mit sozialer Verantwortung (…). Ihr Design erzählt Geschichten, überrascht mit Humor und zeigt, wie relevant Gestaltung für unsere Zukunft ist.“

– Lutz Dietzold, CEO des German Design Council und Jury-Mitglied beim Rising Talents Award 2025*

Großvater als Namensgeber

Ihr erstes Büro haben sie auf dem Dachboden von Nils‘ Großvater in Sindelfingen aufgeschlagen. Er hieß Otto mit Vornamen und war Raumausstatter, daher der Name. Seit 2024 befindet sich ihr Büro in den Superoffices der Stuttgarter Brauerei Dinkelacker, einem Co-Working-Space für Kreative. Im ehemaligen Vorstandszimmer füllt ein wuchtiger quadratischer Tisch aus Dreischicht-Fichtenholz fast die Hälfte des Raums. Hier finden locker acht Leute Platz. Drumherum 1:1 Modelle, daneben die Werkstatt – aufgeräumt wie für ein Fotoshooting. „Das brauche ich, damit ich denken kann“, sagt Nils Körner. Alles wirkt frisch, ist perfekt platziert, ein hellblau gestrichener Einbauschrank umrahmt den Eingang ins Büro.

Muss es wirklich immer der neue Stuhl, das neue Produkt sein? Diese Frage beantworten Haus Otto mit einem klaren Nein. Vielmehr geht es ihnen darum, neue Ansätze und Perspektiven zu liefern. „Wir sehen uns an der Schnittstelle zwischen Kunst, die auch kritisieren darf, und Design, das eher eine industrielle Lösung sucht“, sagt Patrick Henry Nagel. „Uns interessieren die Ökosysteme, der Kontext, in dem Prozesse und Dinge eingebunden sind.“ Und, davon sind die beiden überzeugt: „Das Neue entsteht meist aus dem Dialog und muss nicht immer etwas Objekthaftes sein.“

„Design kann alleine nicht die Welt retten, aber im Zusammenspiel mit anderen Disziplinen und an Schnittstellen kann es eine enorme Kraft entfalten.“

 Patrick Henry Nagel von Haus Otto

„Farm Project“ als Dialogplattform

Den Begriff Nachhaltigkeit finden Körner und Nagel abstrakt und gleichzeitig komplex. Es wäre auch zu einfach, für ein Duo, das tiefer denkt und inhaltlich weit über instagramtaugliches Mainstream-Design hinausgeht. „Was spontan als nachhaltiges Material erscheint, wie Holz zum Beispiel, muss es nicht unbedingt sein”, sagt Körner. „Je nach Kontext und Anforderungen suchen wir deshalb den passenden Werkstoff. Aluminium zum Beispiel ist zwar aufwendig in der Gewinnung, kann aber mehrfach recycelt werden.“ So ist ihr „Traktor Chair“ der im Rahmen ihres „Farm Project“ entstanden ist, aus Aluminium gefertigt. Das Projekt haben sie 2022 zusammen mit acht weiteren jungen Designer*innen ein Jahr lang auf einem Öko-Bauernhof umgesetzt. Die Idee dazu hatte Haus Otto in den Wirren der Pandemie. „Wir finden Landwirtschaft ziemlich spannend, weil dort Themen wie Kreislaufwirtschaft bereits vorhanden sind, mit denen wir uns in der Gestaltung aktuell auch stark beschäftigen“, sagt Patrick Henry Nagel. Und überhaupt wollte man in der Pandemie raus aufs Land. Mit dem Hofgut Rimpertsweiler in Salem am Bodensee hatten sie einen Demeter-Betrieb gefunden, auf dem rund 80 Menschen arbeiten. Mit Tieren, Ackerbau, einer Bäckerei und einem Café.

Die Farm Group

„Wir wollten schauen, welche Ansätze man von dort auf die Gestaltung übertragen kann“, erzählt Nils Körner. Sie luden andere Designerinnen ein, wie Johanna Seelemann, Lisa Ertel und Anne-Sophie Oberkrome von Studie Œ, Hannah Kuhlmann oder Lukas Marstaller und Oliver-Selim Boualam von BNAG. Vor Ort fanden dann Workshops mit den Menschen vom Hof, aus der Region und der nahe gelegenen Suchtklinik Siebenzwerge statt. Es gab Installationen, Ausstellungen und Feste. Die „Farm Group“ hatte dabei kein klares Ziel, sondern ging offen in den Dialog. Am Anfang waren einige skeptisch, erzählt Patrick Henry Nagel. Denn das Stereotyp lautete: „Designer machen ja nur Sachen schön, um sie besser verkaufen zu können.“ Doch das löste sich schnell auf. Die entstandenen Projekte zeigen sich spielerisch, wie das „Endless Bread“ von Haus Otto oder das „Summloch“ von BNAG, bei dem man sich mit Bienen auf eine sensorische Art und Weise befassen kann. Außerdem haben sie einen ganzen Dachraum zu einem Treffpunkt ertüchtigt, jeder Designer*in hat auch – dann doch – einen Stuhl für das „Farm Project“ gestaltet. Gerne würden Haus Otto das „Farm Project“, das vom Land Baden-Württemberg gefördert wurde, weiterführen, auch wenn es viel Aufwand in der Organisation und Planung war, wie sie zugeben. Jedoch muss noch ein Rahmen, vor allem finanzieller Natur, gefunden werden.

Arbeiten für kleine Labels

Das Projekt zeigt, welche Wege heute junge Designer*innen einschlagen: Nicht mehr nur das Werben um den großen Auftrag bei einem anerkannten Label, sondern selbst initiierte Projekte, die erstmal keine große wirtschaftliche Rendite versprechen, dafür umso mehr das Profil schärfen und auch die eigene Tätigkeit weiterentwickeln. Natürlich arbeitet Haus Otto auch ganz klassisch im Auftrag, dabei aber vor allem mit kleinen ausgesuchten Labels, die einen ähnlichen Spirit haben wie sie selbst. Für das junge Label Bottone haben sie im Frühjahr 2025 den „Zooom Rug“ vorgestellt, eine überdimensionierte Webstruktur, die eher als Daybed denn als Teppich dienen kann. Oder die modularen Möbel für das temporäre Concept Office der Beratungsagentur 8 Minutes in Leonberg, die aus jeweils nur fünf Teilen in unterschiedlichen Formen durch ein Lochrastersystem einfach und schnell neu konfiguriert werden konnten – ein Kooperationsprojekt mit Matter Off, ebenso aufstrebende Talente aus Stuttgart für Kommunikationsdesign. Ende 2025 wird man von Haus Otto auch große gelbe Stelen in Stuttgart sehen, die die dortigen Ausstellungsstandorte der Internationalen Bauaustellung (IBA 27) markieren.

Salone di Aschau als Alternative

Einer ihrer Lieblingskunden aber ist Moormann. Mit dem Label verbindet sie viel: das Spezielle, ein tiefes Designverständnis, Nachhaltigkeit, Regionalität, das Gestalten in Systemen, ja und auch Humor und Leichtigkeit. „Sie denken anders über Konsum nach.“ Ihr erstes Objekt für Moormann ist die Leuchte „La-Dré“, bei der sich der Schirm direkt auf die Glühbirne klicken lässt. Das Gerüst besteht dabei aus wenigen, gelaserten Edelstahl-Teilen, die werkzeuglos zusammengesteckt werden – ganz ohne Schrauben. Bereits 2024 hat Haus Otto mit Moormann kooperiert, für den „Salone di Aschau”, eine Art Alternative zur Milan Design Week . Sie wollten etwas „zusammen“ machen, eine kleine Schau, wo Händler, Hersteller und Designinteressierte sich wirklich treffen und nicht nur von einer zur nächsten Vernissage laufen. Das Konzept ist aufgegangen – rund 600 Menschen kamen im Juli 2024 nach Aschau an den Stammsitz von Moormann, wo auch Firmen wie Tecta, Mono, Loehr, Bottone und Dante ausstellten. Eine Mailand-Kritik sollte es indes nie sein. Es ging auch nicht um Neuheiten, sondern „um das Prozesshafte“. Der prompte Erfolg scheint Nils Körner und Patrick Henry Nagel ein wenig überrascht zu haben, selbst Leute aus Paris reisten an. „Es war ein guter Dialog, weniger Konkurrenz als sonst auf Messen, sondern mehr Koalition.“ Die beiden bleiben trotz ihres Erfolges bescheiden  – aber optimistisch. „Design alleine kann die Welt nicht retten, aber im Zusammenspiel mit anderen Disziplinen und an Schnittstellen kann es eine enorme Kraft entfalten.”

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