Das Magazin des German Design Council
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KI und Authentizität

Kreation auf Knopfdruck

Künstliche IntelligenzMarke
KI verändert das Branding grundlegend – mit neuen Möglichkeiten, schnelleren Prozessen und nie dagewesenen Herausforderungen. Was heißt das für Kreative? Wie arbeiten Agenturen künftig? Und: Sehen bald alle Marken gleich aus?

Ein Einhorn dank Künstlicher Intelligenz – und das in Rekordzeit: Nur etwa zwei Jahre nach dem Launch ist das schwedische Start-up Lovable, mit dem sich Webseiten und Apps ganz ohne Programmierkenntnisse erstellen lassen, zum Einhorn aufgestiegen. Die Bewertung liegt inzwischen bei mehr als einer Milliarde US-Dollar, genauer gesagt bei 1,8. Und nicht nur das Start-up selbst ist erfolgreich, auch die Kunden, die es nutzen: Laut CEO Anton Osika habe der brasilianische Unternehmer Caio Moretti dank einer mit Lovable entwickelten App in nur 48 Stunden einen Umsatz von drei Millionen US-Dollar erzielt. Eine Erfolgsgeschichte, die zeigt: Design geht heute auf Knopfdruck, und ohne besondere Vorkenntnisse. Ist das die Demokratisierung der Kreativität – oder das Ende der Markenidentität?

Ohne Kontext wird es Durchschnitt

Auch viele andere Tools finden ihren Weg in Branding und Design: Sie vereinfachen Prozesse, beschleunigen die Ideenfindung und ermöglichen es, Inhalte in Rekordzeit zu testen und anzupassen. Nicht ohne Abstriche und komplexe Fragestellungen: Wie viel darf automatisiert werden, ohne dass die Marke leidet? Wie bewahrt man Authentizität, wenn Algorithmen das Branding übernehmen?

Alex Jacobi hat eine Antwort: „Marken können dank KI zum ersten Mal skaliert authentisch kommunizieren“, sagt der Gründer des AI-Studios With Love and Data. Die Tech-Plattform unterstützt Marketer und Agenturen dabei, mit KI besser und effizienter zu arbeiten, indem sie Marketing Know-how mit Technologie kombiniert und über eine intuitive Benutzeroberfläche zugänglich macht.

Das aber unter einer grundlegenden Bedingung: Identität, Tonalität, Stil und Beispiele müssen präzise im jeweiligen KI-Tool hinterlegt sein. „Ohne Kontext übernimmt das System die Meinung des statistischen Durchschnitts und wirkt austauschbar“, erklärt Jacobi. Marken müssen sehr genau wissen, wofür sie stehen, ihre Zielgruppen gut kennen, ihr Angebot klar beschreiben und über eine strukturierte Kommunikationsstrategie verfügen.

Gerade in der Konzeptphase kann die Technologie Agenturen wirksam unterstützen: „Es ist großartig, was wir in Kreativprozessen alles mit KI machen können – Moodboards, schnelle Ideen-Sprungbretter, das Betrachten von Gedanken aus verschiedensten Richtungen, und natürlich hilft es auch beim Branding“, sagt Katja Schnabel, Executive Creative Director bei Zum goldenen Hirschen in Berlin – etwa bei der Recherche oder Entwicklung von Design- und Bildwelten. Zudem könntenEndergebnisse überzeugend simuliert werden, etwa Bewegtbild, Animationen, Musik oder Sprache. „KI verkürzt die Vorarbeiten enorm, das gibt uns mehr Zeit, uns aufs Wesentliche zu konzentrieren.”  Aber: „Bei Werten und Emotionen, also dem, was eine Marke wirklich lebendig macht, kommt die KI an ihre Grenzen.“ 

„Bei Werten und Emotionen, also dem, was eine Marke wirklich lebendig macht, kommt die KI an ihre Grenzen.“ 

Katja Schnabel, Executive Creative Director bei Zum goldenen Hirschen in Berlin

„KI ist stark in Generierung, Bewertung und Konsistenz – Entscheiden, Zielsetzen und Einstehen kann nur der Mensch.“ 

Alex Jacobi, Gründer des AI-Studios with Love and Data

Warum der Mensch wichtig bleibt

Das heißt: Hier braucht es Menschen, mit all ihren Gefühlen, ihrer Kreativität und der Möglichkeit, Neues zu schaffen. „KI ist stark in Generierung, Bewertung und Konsistenz – Entscheiden, Zielsetzen und Einstehen kann nur der Mensch“, sagt Alex Jacobi. Dabei kommt es auch auf Vertrauen an: Marken müssen es heute mehr denn je schaffen, Vertrauen aufzubauen. Aus Love Brands werden Trust Brands. Eine Studie von Edelman zeigt: Bei der Kaufentscheidung spielt das Vertrauen für 80 Prozent der Verbraucher*innen eine Rolle, für den Großteil (68 Prozent) zählt dabei, dass die Marke die heutige Kultur authentisch widerspiegelt. Aber kann das KI?

Das wollte auch das Brand Science Institute der Universität Hamburg wissen und hat in einer umfassenden aktuellen Studie analysiert, wie sich die Wahrnehmung der Markenidentität zwischen KI-gestützten und von Copywritern entwickelten Inhalten unterscheidet. Es zeigte sich: Die Inhalte der menschlichen Texter führten zu einer konsistenten,authentischen Wahrnehmung der Markenpersönlichkeit, die mit der ursprünglichen Markenidentität übereinstimmte. KI-Inhalte dagegen führten zu signifikanten Verschiebungen, vor allem bei emotionalen Eigenschaften und Tonalität. Besonders betroffen waren hochpreisige Marken, deren Persönlichkeit meist noch subtilere und komplexere Eigenschaften umfasst. Für die Studienautoren ist damit klar: Markenpersönlichkeit erfordert präzise Steuerung und Expertise – kommt KI zum Einsatz, muss sie eng überwacht und mit menschlichem Feingefühl ergänzt werden, erst dann entsteht emotionale Tiefe. Dabei hilft eine eigene Brand Identity AI anstelle der generischen Nutzung von KI-Tools auf Basis von standardisierten Modellen. Sie kann gezielt auf die individuellen Markenwerte, -ziele und -botschaften abgestimmt werden und damit Inhalte generieren, die tatsächliche Identität widerspiegeln.

Künstliche Intelligenz für alle

Bei wirDesign wird das seit mehr als einem Jahr gelebt: Die Agentur setzt auf das Prinzip „KI für alle“. Die Technologie ist fester Bestandteil in allen Bereichen – von Projektmanagement über Kreation und Strategie bis hin zu Administration. Mit der wirDesign.AI-Suite gibt es ein eigenes Tool, mit dem Kunden ein Werkzeug an die Hand bekommen, um Touchpoints datenbasiert zu prüfen, Bildwelten konsistent zu generieren und Layouts automatisch zu validieren.

„Seit 2024 setzen wir konsequent auf breite Beteiligung, kontinuierliches Lernen und einen echten Kulturwandel und haben unsere eigene Organisationsform umgebaut, um schneller agieren und Entscheidungen verkürzen zu können“, erklärt wirDesign-Vorstandsvorsitzender Dirk Huesmann.

Im „BattlePrompt“ lernte das Team spielerisch das Prompten, dazu gibt es die „Daily ChatGPT Challenge“, Fortbildungen („wirDesign Akademie“) und Strategietage zum Thema KI. Dennoch gilt stets eine zentrale Voraussetzung, wie Visual Design Director Lukas Linden betont: „Human-in-the-Loop ist für uns entscheidend: KI liefert Optionen, der kreative und strategische Rahmen bleibt beim Menschen. Dadurch sichern wir, dass die Marken-Performance langfristig wächst, ohne an Authentizität einzubüßen.“ Styleguides und Tonalität werden in Tools übersetzt: „So bleibt Kreativität frei, während Konsistenz gesichert ist.“ Trotzdem erfordere KI eine regelmäßige Überprüfung und Anpassung der Marke. „Sie wird zu einem lebenden System, das immer wieder geschärft werden muss“, sagt Dirk Huesmann, Vorstandsvorsitzer bei wirDesign

So ändert sich die Rolle der Agenturen

Das Beispiel wirDesign zeigt deutlich, wie sich die Rolle von Agenturen im Zeitalter der KI verändert. „Agenturen werden zu Orchestratoren“, sagt Visual Design Director Lukas Linden: „Sie verbinden Strategie, Kreation, Daten und Technologie, um die Performance der Marke ihrer Kundinnen und Kunden stetig zu verbessern. Und unsere Aufgabe ist es, Frameworks, KPIs und Workflows zu entwickeln, die zur Marke passen, und dafür zu sorgen, dass Tools sinnvoll implementiert und betrieben werden.“ 
Die Funktion der Agenturen verändert sich, auch ihre eigene Organisationsstruktur muss sich anpassen. KI ist ein mächtiges Werkzeug, doch ohne strategischen Rahmen, konzeptionelle Schärfe und menschlichen Faktor bleibt sie eben: eine Technologie. Dirk Huesmann bringt es auf den Punkt: „KI ersetzt uns nicht, sie macht uns wirksamer.“ 
 

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