
Wie eine Londoner Ausstellung das Selbstverständnis deutschen Designs prägte

„Der Laie in England denkt bei deutscher Formgebung an die internationalen Begriffe wie VW, Leica oder Rosenthal. Der Kenner denkt an Braun und an den Präzisionsgerätebau, der Student schätzt das anspruchsvolle Niveau deutscher Design-Schulen“, steht es 1965 im Tätigkeitsbericht des German Design Council – Rat für Formgebung. Spätestens am 8. Dezember 1965 sollte sich dies zu einem klaren, einheitlichen Verständnis formen: Die Ausstellung „Gute Form“ im Londoner Council of Industrial Design eröffnete.
Im Zeichen des Funktionalismus
Die Werkschau versammelte hochrelevante Hersteller und Industriedesigner der BRD und wurde als einer der umfangreichsten Auslandsbeiträge des 1953 gegründeten Rats bewertet. Ihr Ziel: Deutsches Design als Wirtschafts- und Kulturfaktor international zu präsentieren. Für die Londoner Besucher*innen ergab sich darüber ein „äußerst günstiger Eindruck“, wie Gillian Naylor in der „form 33“ resümierte. Die 122 gezeigten technischen Designobjekte zeichneten ein eindeutiges Bild: zeitlos, sachlich, funktional. Dem Wunsch des Gastgebers und den Einfuhrbeschränkungen geschuldet, zeigte die Sammlung lediglich Haushalts- und Bürogeräte, Türgriffe, Uhren, Kassettenspieler und Kameras. Den Stand des deutschen Maschinenbaustandards bildeten Fotografien ab. Auch der gleichnamige Ausstellungskatalog „Gute Form“ eröffnete mit keinem anderen als dem ganzseitig abgebildeten Kollektivsingular des deutschen Automobildesigns: dem Porsche 911.
Modern, exportfähig, männerdominiert
In den Worten der vormaligen Geschäftsführerin Mia Seeger spiegelte die streng kuratierte Werkschau den „hohen Rang und die Autorität“ wider, die Designer in Deutschland genossen – und sorgte bei den Ausstellungsbesucher*innen für „so etwas wie eine Offenbarung“.
Namenhafte Akteure wie etwa Thomas Maldonado, Gui Bonsiepe, Hans Gugelot, Erich Slany, Herbert Lindinger und Herbert Schultes, gepaart mit Braun, AEG, Sartorius, Zeiss und Siemens sorgten für die geschlossene Positionierung, die 60 Jahre später noch immer im verblassenden Kollektivgedächtnis aufzufinden ist: Deutschlands Designer*innen agieren wirtschaftsnah, exportfähig und technikgetrieben.

Trotz ihrer inhaltlichen Bedeutung blieb die dreiwöchige Ausstellung in der britischen Öffentlichkeit nahezu unbeachtet. Rund 12.000 Besucher*innen fanden ihren Weg in die Räume des Londoner Design Council – deutlich weniger als erwartet. Vorweihnachtliche „Verkehrsstauungen“ in der Haymarket-Straße sollen die Ursache gewesen sein. Doch ungeachtet der geringen Resonanz trug die „Gute Form“ im Sinne des Gründungsauftrags des Rat für Formgebung entschieden dazu bei, deutsches Design international neu zu verorten.
Der von Herbert Wolfgang Kapitzki gestaltete Ausstellungskatalog mit 47 Schwarz-Weiß-Abbildungen und einer Checkliste der 122 Objekte, wie auch der zitierte Tätigkeitsbericht und damalige Pressemitteilungen konservieren die Objektschau. Sie sind aktuell in der stiftungseigenen Bibliothek auf dem Mediencampus der Hochschule Darmstadt einsehbar.




