Atlas der KI

Ob im Marketing, als Übersetzungstool oder Inspirationsquelle im Design, als positive Zukunftsvision oder Dystopie – Künstliche Intelligenz (KI) boomt und wird heftig diskutiert. Kate Crawford ist eine der weltweit renommiertesten Forscherinnen in Sachen KI. Sie interessiert sich, wie sie im vergangenen Jahr bei der Dritten Deutschen Designdebatte des Rat für Formgebung in der Frankfurter Paulskirche eindrucksvoll bewiesen hat, weniger für die Technologie an sich, als für deren gesellschaftlichen Auswirkungen. KI sei, so Crawford, alles andere als ein neutrales Werkzeug: Dahinter stünden handfeste Interessen, die oft übersehen oder gar verschleiert würden. Bei der Lektüre von Crawfords nun auch auf Deutsch erschienenen „Atlas der KI. Die materielle Wahrheit hinter den neuen Datenimperien“ wird rasch deutlich: KI hat viele Schattenseiten. Sie ist keineswegs nur das Zaubermittel, als welches sie von vielen angepriesen wird.
Eine der zentralen Fragen des Buches lautet denn auch: Wie wird Intelligenz „gemacht“, was ist dazu nötig und welche Fallen können sich dadurch auftun? Um über den KI-Komplex umfassend aufzuklären, betreibt Crawford praktische Mythen- und Ideologiekritik. Der erste Mythos besagt, dass nichtmenschliche Systeme „dem menschlichen Geist irgendwie analog wären“. Genügend Training oder Ressourcen vorausgesetzt, kann „eine menschenähnliche Intelligenz aus dem Nichts geschaffen werden“. Ausgeblendet wird dabei, „dass Menschen körperliche und soziale Wesen sind, die in größere ökologische Zusammenhänge eingebettet sind“. Der zweite Mythos besage: Intelligenz ist etwas, „das freischwebend existiert, so als wäre sie ein natürlicher, von gesellschaftlichen, kulturellen, historischen und politischen Kräfteverhältnissen losgelöster Gegenstand“.
Crawford untersucht das gesamte Terrain, das von KI erfasst und verändert wird, und stellt kritische Fragen:
Was wird unterschlagen, wenn behauptet wird, Maschinen könnten denken?
Welche Formen der Politik propagiert KI?
Wessen Interessen dient sie?
Wer trägt das größte Risiko, Schaden durch sie zu erleiden?
Welche sozialen und materiellen Folgen hat es, wenn KI im Bildungs- und Gesundheitswesen, in der Finanzwirtschaft, im staatlichen Handeln, bei der Einstellung neuer Beschäftigter oder im Kommunikations- und Justizsystem in Entscheidungsprozesse einbezogen wird?
Wo sollten dem Einsatz von KI Grenzen gesetzt werden?


