
„Selbstwirksamkeit ist der Schlüssel – und Design liefert den Werkzeugkasten dazu“
Welche aktuellen Themen und Herausforderungen bewegen Jugendliche im Kontext von Design, und wie adressiert die Stiftung Deutsches Design Museum diese in ihren Programmen?
Viele Jugendliche haben zunächst kaum eine Vorstellung davon, was Design eigentlich bedeutet. Oft beschränkt sich ihr Wissen auf Bereiche wie Automobildesign oder Mode. Ihr Designbegriff ist stark verwässert und wird meist mit reiner Ästhetik verbunden. In unseren Schulworkshops verfolgen wir daher einen erweiterten Designansatz: Design als Prozess und Methode zur Problemlösung. Wir zeigen Schüler*innen, wie sie selbstständig gesellschaftliche Herausforderungen kreativ und konstruktiv angehen können. Dabei geht es vor allem um Selbstwirksamkeit. Darum, mit kleinen Schritten Veränderungen anzustoßen – ganz im Sinne eines iterativen Prozesses, bei dem auch Fehler wertvolle Lernmomente sein können. Ziel ist es, den Schüler*innen zu zeigen: Du kannst etwas verändern, direkt in deinem Umfeld, deiner Schule, deiner Stadt – und das kann durchaus eine große Wirkung haben.
Kannst du Beispiele für Projekte nennen, die dich persönlich inspiriert und deine Vision für die Stiftung geprägt haben?
Ein besonders oft nachgefragter und bereits seit Jahren erprobter Workshop ist „Zeichen setzen“, in dem Schüler*innen ihre persönlichen Werte definieren, daraus Symbole gestalten, die sie auf Alltagsgegenstände übertragen und deren Bedeutung im Klassenverband diskutieren. Die Auseinandersetzung mit den eigenen Überzeugungen und der Rolle in einer Gruppe wie der Klassengemeinschaft, die kreative Umsetzung und anschließende Präsentation machen diesen Workshop besonders wirkungsvoll. Es geht darum, die Gestaltung der eigenen Wertewelt mit Selbstreflexion zu verbinden und gleichzeitig ganz praktische Designprinzipien – wie Reduktion und Symbolkraft – zu vermitteln.
„In unseren Schulworkshops verfolgen wir einen erweiterten Designansatz: Design als Prozess und Methode zur Problemlösung.“
Julia Kostial, Geschäftsführerin der Stiftung Deutsches Design Museum


Welche Rolle spielt die Vermittlung von Designkompetenzen in der schulischen Bildung, und wie unterstützt die Stiftung Schulen dabei, Design als interdisziplinäres Fach zu etablieren?
Design ist für uns eine Querschnittsdisziplin, die in nahezu jedem Fach Anwendung finden kann – von Ethik über Mathematik bis hin zu Nachhaltigkeitsthemen. Wir bieten Schulen praxisorientierte Unterrichtskonzepte, sogenannte Handreichungen, die detailliert vorbereitet sind und sofort eingesetzt werden können. Darüber hinaus führen wir Lehrerfortbildungen und Workshops in Schulen mit professionellen Designer*innen durch. Unser Ziel ist es, Design als methodischen Zugang in der schulischen Bildung zu etablieren.
Wie fördert die Stiftung die Kreativität und das kritische Denken von Jugendlichen durch ihre Workshops und Programme, insbesondere im Hinblick auf aktuelle gesellschaftliche Herausforderungen?
Unsere Programme ermutigen Jugendliche, sich mit gesellschaftlich relevanten Themen auseinanderzusetzen und eigene Perspektiven zu entwickeln. Im Mittelpunkt steht dabei der Designprozess, der es ihnen ermöglicht, verschiedene Blickwinkel einzunehmen, kreativ Lösungen zu erarbeiten und diese auch überzeugend zu kommunizieren. Die Auseinandersetzung mit persönlichen Werten, Reflexion und Präsentation der eigenen Ideen spielen dabei eine zentrale Rolle – nicht nur zur Förderung von Kreativität, sondern auch im Sinne von Demokratiebildung und kritischem Denken.
„Du kannst im Kleinen etwas verändern – und das kann eine große Wirkung haben.“
Julia Kostial, Geschäftsführerin der Stiftung Deutsches Design Museum
Auch das Thema Nachhaltigkeit steht im Zentrum vieler eurer Projekte. Wie bewertest du die Effektivität von Design als Werkzeug, um Verhaltensweisen in Richtung Nachhaltigkeit zu verändern?
Design bietet den idealen Zugang, um das Thema Nachhaltigkeit greifbar und aktiv erlebbar zu machen. In unseren Workshops entstehen konkrete Projekte – von Sharing-Systemen bis zur eigenen Schulbibliothek –, die zeigen, wie man im Kleinen viel bewegen kann.
Wir sehen viele Schüler*innen, die wie paralysiert sind, ob dieser riesigen Themen, mit denen sich unsere Welt gerade konfrontiert sieht. Unsere Workshops helfen Jugendlichen, ins Handeln zu kommen. Selbstwirksamkeit ist der Schlüssel – und Design liefert den Werkzeugkasten dazu. Nimm die Dinge selbst in die Hand – und leg los.
Welches Potenzial siehst du darin, Gestaltungskompetenz direkt in die Lehrpläne zu bringen? Inwiefern könnte diese Integration die Schulcurricula langfristig verändern?
Grundsätzlich wäre ein eigenes Fach „Design“ natürlich wünschenswert – allerdings ist der Einstieg in bestehende Fächer realistischer und derzeit effektiver. Unser Ansatz ist curricular verankert: Wir knüpfen an Themen an, die bereits im Lehrplan stehen, und bieten konkrete Umsetzungsformate. Langfristig sehen wir großes Potenzial, Gestaltungskompetenz stärker in das Lehramtsstudium zu integrieren, sodass künftige Lehrer*innen von Anfang an Design als methodisches Werkzeug einsetzen können – sowohl für die eigene Unterrichtsgestaltung, als auch als Unterrichtsinhalt.


Im Rahmen von World Design Capital 2026 seid ihr Teil des Projekts „Design in Schools – Design macht Schule!”. Wie kann das Projekt junge Menschen konkret dazu befähigen, ihre Umgebung aktiv zu gestalten?
„Design macht Schule“ entsteht derzeit in enger Zusammenarbeit mit dem World Design Capital-Projektbüro und dem Hessischen Ministerium für Kultus, Bildung und Chancen. Vielfältige Projekte mit und in Schulen sollen zusammengeführt und nachhaltig verankert werden. Dabei geht es nicht nur um einmalige Impulse, sondern um langfristige Strukturen, die Jugendlichen ermöglichen, ihre Umwelt aktiv mitzugestalten – sei es durch Stadtspaziergänge, partizipative Schulprojekte oder kreative Interventionen im Stadtraum.
Über die Stiftung Deutsches Design Museum

Die Stiftung Deutsches Design Museum wurde 2011 vom Rat für Formgebung – German Design Council gegründet. Seitdem bringt sie Design als kreative und interdisziplinäre Problemlösungsmethode und Ideeninkubator in den Schulalltag. In praxisnahen Workshops erarbeiten Schüler*innen gemeinsam mit professionellen Designer*innen eigene Projekte zu aktuellen Themen wie Nachhaltigkeit, Wertevermittlung, Künstliche Intelligenz oder Markenbildung. Fortbildungen für Lehrkräfte sollen zudem dazu beitragen, Design innerhalb des schulischen Bildungssystems stärker zu verankern. Dabei erleben die Teilnehmer*innen Design nicht nur als ästhetisches Konzept, sondern als Werkzeug zur aktiven Mitgestaltung ihrer Umwelt.


