Das Magazin des German Design Council
Katrin Krupka, Direktorin der Initiative German Design Graduates Foto: Christof Jakob
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„Ohne Haltung geht es heute nicht mehr”

German Design Graduates
Die Jahresausstellung „Dare to Design – Spaces of Care“ der German Design Graduates zeigt, wie junge Designer*innen auf aktuelle Herausforderungen reagieren. Direktorin Katrin Krupka spricht über das zirkuläre Ausstellungskonzept, die Rolle von Fürsorge im Design – und erklärt, warum es mehr Gestalter*innen in Führungsrollen braucht.

Am 3. September 2025 eröffnet im Museum für Angewandte Kunst Köln (MAKK) die diesjährige Ausstellung der German Design Graduates (GDG). Was erwartet die Besucher*innen?

Katrin Krupka: In diesem Jahr zeigen wir erstmals nicht nur Produkt- und Industriedesign, sondern auch Arbeiten aus Kommunikation, Digital Design, Fashion und Textil. Die Bandbreite ist enorm: von industriellen und marktorientierten Anwendungen über künstlerische und experimentelle Projekte bis hin zu Kooperationen mit Forschungsinstituten. Es ist bundesweit die einzige Ausstellung, die einen derart umfassenden Überblick über die aktuelle Generation von Design-Absolvent*innen gibt.

Der Titel „Dare to Design – Spaces of Care” klingt nach Haltung. Welche Idee steckt dahinter, und wie spiegelt sich in den gezeigten Arbeiten das Thema Fürsorge wider?

Haltung ist im Design zentral. Ohne Haltung geht es heute nicht mehr. „Spaces of Care“ meint, Gestaltung von Anfang an in Relation zu ökonomischen, sozialen, ökologischen und politischen Dimensionen zu setzen. Fürsorge ist dabei kein Begriff, den man üblicherweise mit Design verbindet – und gerade das macht ihn spannend. Es geht darum, Verantwortung in allen Dimensionen mitzudenken.

Spaces of Care meint, Gestaltung von Anfang an in Relation zu ökonomischen, sozialen, ökologischen und politischen Dimensionen zu setzen (…). Es geht darum, Verantwortung in allen Dimensionen mitzudenken.

 Katrin Krupka, Direktorin der Initiative German Design Graduates

Kannst du Beispiele aus den ausgestellten Arbeiten nennen, die das besonders gut erfüllen?

Sehr spannend ist das Projekt „Ideologien visualisieren“ von Aaron Siermann, bei dem verschiedene Weltbilder mit Hilfe von KI visualisiert wurden. Das zeigt, wie gesellschaftlich relevante Fragen durch Gestaltung erlebbar werden. Ein weiteres Beispiel ist „You May Also Like“ von Paula Holzhauser, das sich mit textiler Überproduktion in Form von Restgarnen beschäftigt, die in industriellen Webereien weggeworfen werden. Verantwortung gegenüber unserer Lebenswelt beweist auch die Arbeit „Nessie“ von Ony Yan. Das Projekt ist in Kooperation mit Forschungspartnern entstanden und zeigt, wie Transferprojekte zwischen Hochschule und Praxis aussehen können.

In diesem Jahr wurden insgesamt 45 Abschlussarbeiten aus ganz Deutschland kuratiert. Nach welchen Kriterien wurden sie ausgewählt?

Es gibt bei GDG keine starren Kategorien, da sich die einzelnen Disziplinen immer stärker vermischen. Jede Einreichung wird individuell betrachtet. Kriterien sind für uns dabei Innovation, Ausführung, Wirkung, Konstruktion und Kommunikation. Wir fragen: Wie originell ist die Idee? Welches transformative Potenzial hat sie? Wie gut wird sie kommuniziert? Dieses Jahr haben wir erstmals ein Expertinnen-Team des German Design Council in den Auswahlprozess eingebunden. Danach folgte aus unserem Team der kuratorische Blick auf Ausstellbarkeit und Bandbreite. Im letzten Schritt haben die Mentorinnen mit der Wahl ihrer „Spotlights“ besondere Akzente gesetzt.

Welche Rolle spielen die Mentor*innen im GDG-Konstrukt?

Sie wählen die Spotlight-Projekte aus und bringen ihre Expertise sowie ihre Erfahrung aus der Praxis ein. Uns war es wichtig, verschiedene Perspektiven zu integrieren. Die Mentorinnen kommen aus unterschiedlichen Disziplinen. Sie bewerten, welche Projekte besonders herausragen und das Potenzial haben, über Haltung auch in der Realität zu bestehen. Das bringt eine zusätzliche Dimension in die Auswahl und hilft den Absolventinnen, ihre Arbeiten kritisch gespiegelt zu bekommen.

Das Ausstellungsdesign wurde vom „Studio für Gestaltung” ressourcenschonend mit geliehenen Materialien aus der Baubranche umgesetzt. Was macht diesen zirkulären Ansatz aus, und warum ist er euch wichtig?

Gemeinsam mit dem Kölner „Studio für Gestaltung“ haben wir ein Konzept entwickelt, bei dem Materialien wie Hohlblocksteine oder Platten aus dem Bauwesen geliehen und nahezu unbearbeitet eingesetzt werden. Nach der Ausstellung gehen diese Materialien zurück in den Kreislauf. Uns war wichtig, den Gedanken der Circularity nicht nur in den Projekten, sondern auch im Ausstellungskonzept selbst zu leben. Auch grafisch wurde das Thema aufgenommen: Ein Mobilee als Bild für Bewegung und Transformation zeigt, wie analoges Arbeiten in digitalen Zeiten neue Relevanz bekommt.

„Design hat das Potenzial, gesellschaftliche Veränderungen aktiv mitzugestalten. Damit das gelingt, brauchen wir mehr Mut aus Wirtschaft und Politik, Designer*innen Verantwortung zu übertragen.“

 Katrin Krupka, Direktorin der Initiative German Design Graduates

Wie können sich Studierende oder Absolvent*innen bewerben, um Teil der Ausstellung zu werden?

Wir laden jedes Jahr deutschlandweit alle staatlichen Hochschulen mit Designstudiengängen ein. Ermöglicht durch einen Teilnahmebeitrag der Hochschulen können alle Graduates – egal, ob Bachelor, Master, PhD oder Diplom – ihre Arbeiten einreichen. Diese erscheinen auf unserer digitalen Plattform, die wie eine Bibliothek aller Abschlussarbeiten funktioniert. Sie ist in dieser Form einzigartig, weil sie einen bundesweiten Überblick schafft. Die Projekte lassen sich nach Schlagworten wie „Circular Design“, „Social Design“ oder „Research“ filtern. So können Interessierte schnell erkennen, welche Themen an den Hochschulen eine Rolle spielen. Für die Absolvent*innen bedeutet das Sichtbarkeit weit über die Hochschule hinaus.

Welche Benefits haben die Teilnehmer*innen der Initiative sonst noch?

Wer für die Ausstellung ausgewählt wird, profitiert natürlich in erster Linie von dem Renommee der Ausstellungshäuser, bei denen wir zu Gast sind. Bei der Eröffnung mit Gästen aus Design, Kultur, Politik und Wirtschaft entstehen wertvolle Kontakte – zu Unternehmen, Forschungseinrichtungen oder potenziellen Arbeitgeberinnen. Auch die Presse wird erstmals auf die Absolventinnen aufmerksam. Und das alles zu einem Zeitpunkt, wenn sie noch ganz am Anfang ihrer Karriere stehen. Außerdem veranstalten wir im Rahmen der Ausstellung Workshops, Talks und Netzwerk-Events, an denen sie teilnehmen können.

Neben Köln präsentiert ihr die German Design Graduates in diesem Jahr auch wieder bei der Dutch Design Week …

Genau. In Eindhoven zeigen wir vom 18. bis 26. Oktober unter dem Titel „Next, now, then“ eine weitere Ausstellung. Sie wird vom niederländischen Designstudio Raw Color kuratiert und umgesetzt. Die Ausstellung richtet sich an ein internationales Publikum. Es geht darum, den Absolvent*innen auch im Ausland Sichtbarkeit zu geben und neue Netzwerke zu erschließen. Während wir im Museum für Angewandte Kunst Köln (MAKK) die ganze Bandbreite zeigen, liegt der Fokus in Eindhoven auf Projekten, die etwas experimenteller und „more edgy“ sind als die in Köln.

Am 10. November werden die German Design Graduates erstmals Teil der Circular Design Clinic sein. Dabei handelt es sich um einen Workshop, der in diesem Jahr zum zweiten Mal vom German Design Council und Indeed veranstaltet wird. Was genau passiert an diesem Tag?

Gemeinsam mit Indeed Innovation wählen wir rund zehn Graduierte aus, die an einem intensiven Trainingstag teilnehmen. Ziel ist es, ihre Projekte in Hinblick auf Marktfähigkeit und Zirkularität aufs nächste Level zu heben. Die Graduates bringen ihre Modelle und Präsentationen mit und arbeiten in Kleingruppen mit Coaches von Indeed und dem German Design Council. Es geht sehr praxisnah darum, wie sich Ideen im realen Marktumfeld behaupten können. Am Abend findet ein exklusiver Netzwerkabend mit Unternehmen bei Vepa am Frankfurter Westhafen statt. Dort können die Absolvent*innen ihre Projekte präsentieren und Kontakte knüpfen. Das Format ist bewusst klein gehalten, um intensive Gespräche zu ermöglichen.

Wenn Du auf die vergangenen Jahrgänge schaust: Welche Entwicklung oder Veränderung in den Themen und Ansätzen der Absolvent*innen fällt besonders auf?

KI und Zirkularität sind natürlich zentrale Themen. Nachhaltigkeit ist inzwischen selbstverständlich, aber die konkrete Umsetzung bleibt herausfordernd. Ein weiterer Punkt ist die enge Zusammenarbeit mit Forschung und Unternehmen. Ich sehe, dass immer mehr Abschlussarbeiten ernsthafte Kooperationen mit externen Partnern eingehen. Das ist ein gutes Zeichen.

Was wünschst du dir für die Zukunft der jungen Designer*innen?

Ich wünsche mir, dass Designer*innen stärker in Entscheidungspositionen kommen – nicht nur als Gründer*innen, sondern auch in etablierten Unternehmen oder in der Forschung. Design hat das Potenzial, gesellschaftliche Veränderungen aktiv mitzugestalten. Damit das gelingt, brauchen wir mehr Mut aus Wirtschaft und Politik, Designer*innen Verantwortung zu übertragen. So kann Design einen noch stärkeren Beitrag zum gesellschaftlichen Wandel leisten.

Über Katrin Krupka

Katrin Krupka ist Produktdesignerin und absolvierte ihren Master mit Schwerpunkt Nachhaltigkeit in Potsdam. Nach Stationen in London bei Layer Design und der Gründung eines eigenen Studios für Materialinnovation lehrte sie unter anderem an der Bauhaus-Universität Weimar, an der FH Potsdam und in Saarbrücken. 2019 gehörte sie zu den Mitinitiator*innen der German Design Graduates, die seit 2022 beim German Design Council – Rat für Formgebung verankert sind. Dort ist sie als Direktorin für die Initiative tätig.

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