Das Magazin des German Design Council
Bei der Serie Hemp Fine Coffee von Vepa besteht die Oberfläche der Sitzschalen aus recycelten Kaffeesäcken. Jeder Stuhl ist ein Unikat. © Vepa
Vepa

Lokal produziert, zirkulär gedacht

Circular DesignProduktdesign
Der Büromöbelhersteller Vepa übernimmt Verantwortung über den gesamten Lebenszyklus seiner Produkte – mit einer ökologisch wie sozial nachhaltigen Produktion und dem Angebot, Möbel nach ihrem ersten Einsatz für eine weitere Nutzung aufzubereiten. Wir haben das Unternehmen in Emmen und am Werk in Hoogeveen besucht.

Eine begrünte Terrasse oder ein Dachgarten für die Beschäftigten: Immer mehr moderne Arbeitgeber bieten ihren Mitarbeitenden inzwischen einen solchen Luxus – sei es für die Pausen oder auch als inspirierenden Arbeitsplatz im Freien. Der niederländische Büromöbelhersteller Vepa geht da noch einen Schritt weiter: Am Standort Emmen, nur wenige Kilometer entfernt von der deutschen Grenze, steht den Beschäftigten ein aufwendig gestalteter parkartiger Garten zur Verfügung, der annähernd die Hälfte des Firmengeländes einnimmt. Das sogenannte Green Field ist Naturreservat und Ausgleichsfläche, Erholungsraum und Schrebergarten, Experimentierfeld und Freiluftbüro gleichermaßen. Da gibt es natürliche Wald-, Blumen- und Wildgräserflächen ebenso, wie Obst- und Gemüsegärten. Es werden schnell wachsende Rohstoffe wie Flachs, Hanf oder Rohrkolbengewächse angebaut, mit denen die Vepa-Entwickler experimentieren und die das Unternehmen bereits in der Produktion einsetzt. Für Wildtiere wurden die unterschiedlichsten Nahrungs- und Nistangebote geschaffen. Beobachten lässt sich die Artenvielfalt im Green Field aus einem Observatorium und von mehreren Terrassen und Aussichtspunkten. Wer seinen Schreibtisch oder sein Meeting ins Freie verlegen möchte, findet auch dafür den richtigen Platz. Das Green Field hat darüber hinaus eine soziale Komponente: Das dort gezogene Obst und Gemüse wird kostenlos an finanzschwache Familien abgegeben – ein Beispiel dafür, dass soziale Nachhaltigkeit für Vepa ebenso von Bedeutung ist, wie ökologisches Handeln.

Vom Rohstoff bis zum Rezyklat: Alles aus der Region

Das Unternehmen ist im Besitz von vier Eigentümerfamilien, die in der Provinz Drenthe tief verwurzelt sind. Vepa und die Muttergesellschaft Fair Furniture Group zählen zu den wichtigsten Arbeitgebern der Region. „Alle Vepa-Möbel werden lokal produziert – und zwar fast bis auf die letzte Schraube“, erklärt Pia Himmelsbach, die Marketingverantwortliche für den deutschen Markt. „Unsere enorme Fertigungstiefe sorgt dafür, dass wir den ökologischen und sozialen Fußabdruck unserer Produkte genau kennen und steuern können.“ So kommen die Rohmaterialien fast ausschließlich aus der näheren Umgebung – wenn sie nicht gleich in den eigenen Werkshallen gewonnen werden. Recycling und Abfallverwertung spielen in der Produktion eine wichtige Rolle. Überall stehen große bunte Tonnen für die verschiedenen Reststoffkategorien. Kaum ein Materialrest, der nicht wieder in den Kreislauf zurückgeschleust wird. Andere Rezyklate werden zugeliefert – aus dem Krankenhaus zum Beispiel. Blue Finn nennt sich eine Stuhlserie, deren Sitzfläche und Rückenlehne größtenteils aus recyceltem Blue Wrap gefertigt wird. Das dient im ersten Leben zum sterilen Verpacken von Operationsbesteck.

Hanf, Jute, Flachs: Möbel aus schnell nachwachsenden Rohstoffen

Andere Möbel werden aus schnell nachwachsenden Rohstoffen hergestellt. Hanf etwa erfreut sich inzwischen bei den Vepa-Entwicklern großer Beliebtheit. Für die Sitzschale der Stuhlserie Hemp Fine werden Hanf und Bioharz miteinander verpresst – ohne weitere chemische Zusätze. Recycling kommt neuerdings auch hier ins Spiel: Vepa hat ein Verfahren entwickelt, um Jutesäcke von einem lokalen Kaffeegroßhändler als Oberfläche auf die Sitzschalen aufzubringen. Die abwechslungsreiche Bedruckung der Säcke macht jeden Stuhl zum Unikat. Ein weiterer schnell nachwachsender Rohstoff, den Vepa einsetzt, ist Flachs. Die Pflanzenfaser wird in Emmen zu Tischfüßen verarbeitet. Dafür werden harzgetränkte Flachsschnüre um Formen gewickelt und anschließend bei hoher Temperatur ausgehärtet. Chemie wird bei Vepa nur mit großer Vorsicht eingesetzt. „Wir verwenden kein PVC, wir verkleben nicht, wir verwenden Materialien nur sortenrein“, sagt Gerdjan de Kam, Vepas Design & Development Manager. „Das sorgt dafür, dass wir bei unseren Möbeln kein Problem mit Ausdünstungen haben.“ Und es hat einen weiteren Vorteil: Möbel von Vepa lassen sich immer wieder reparieren und aufarbeiten. „Reparierbarkeit ist für uns selbstverständlich“ unterstreicht de Kam. „Das ist Teil unserer Philosophie. Wir fühlen uns für ein Produkt über seine gesamte Lebensspanne verantwortlich.“

Ein zweites Leben für gebrauchte Büromöbel

Was das bedeutet, lässt sich in einer neuen Werkshalle in Emmen beobachten: Das Aufarbeiten gebrauchten Büromobiliars hat sich bei Vepa inzwischen zu einem neuen, florierenden Geschäftszweig entwickelt und wesentlich dazu beigetragen, dass der Möbelhersteller in den letzten fünf Jahren seine Mitarbeiterzahl fast verdoppeln konnte. Dabei arbeitet das Unternehmen nicht nur eigene Produkte auf, sondern auch Fremdfabrikate – vom Bürostuhl bis zum Konferenztisch.  Ab einer Charge von 50 bis 100 Möbelstücken bietet das Unternehmen dieses sogenannte Refurbishment an. Dabei reicht das Spektrum des Angebots vom einfachen Reinigen über Reparatur- und Polsterarbeiten bis hin zur vollständigen Neulackierung – je nach Wunsch des Auftraggebers. „Dank unserer hohen Fertigungstiefe haben wir die Expertise wir für alle diese Aufgaben im Haus“, erklärt Pia Himmelsbach. „Bei unseren eigenen Produkten kann das Refurbishment teilweise einfach in die Produktionslinie integriert werden – wenn zum Beispiel eine frische Pulverbeschichtung aufgebracht werden soll.“ 

Refurbishment für die neue Arbeitswelt

In die Karten spielen Vepa dabei die gewaltigen Umwälzungen in der Arbeitswelt. Immer mehr Unternehmen reagieren auf den stark gewachsenen Anteil an Arbeitnehmer*innen, die zu Hause arbeiten, indem sie ihre Büroflächen verkleinern und verändern. „Eine Refurbishment-Maßnahme, die wir im Moment häufig ausführen, besteht darin, Schreibtische zu kürzen und zu verkleinern“, verrät Pia Himmelsbach. Die Erklärung: „Viele Beschäftigte erledigen die Schreibtischarbeit daheim und kommen nur für die Meetings ins Büro.“  Dadurch wird zudem viel Büromobiliar überflüssig. Allerdings ist an anderer Stelle erhebliche Nachfrage entstanden, berichtet Pia Himmelsbach: „Um ihre Nachhaltigkeitsziele zu erfüllen, setzen viele öffentliche Institutionen in den Niederlanden auf Refurbish-Mobiliar.“ Denn die CO2-Einsparung ist enorm. Gegenüber einem neuen Möbel verbraucht das Refurbishment im Durchschnitt nur 10 Prozent des Materials. Vepa sucht für niederländische Behörden, Ämter, Schulen und Ministerien passende Büromöbel auf dem Gebrauchtmarkt und arbeitet sie anschließend auf. Neben den positiven Auswirkungen auf die Nachhaltigkeitsbilanz hat das Refurbishment für viele Unternehmen noch einen weiteren Vorteil, wie Pia Himmelsbach erklärt: „Die Anschaffungen können aus dem Instandhaltungsetat finanziert werden und müssen nicht aufwendig und zeitraubend ausgeschrieben werden.“ 

Chance für neue Geschäftsmodelle

Bislang schrecken private Unternehmen meist davor zurück, anstatt neu zu kaufen, vorhandenes Mobiliar aufarbeiten zu lassen. Die Kosten sind dabei eher nebensächlich, wie Pia Himmelsbach weiß: „Die Herausforderung besteht oftmals in der Logistik!“ Schließlich muss auch während des Refurbishments der Betrieb weitergehen. Gertjan de Kam glaubt, dass sich deshalb das Office Design verändern muss: „Büroeinrichtungen müssen zukünftig evolutionär geplant werden, so dass sie immer wieder verändert und ergänzt werden können. Zu Hause kauft man seine Möbel ja auch nach und nach.“ Innenarchitektinnen und -architekten könnten dann, glaubt Gertjan de Kam, die Rolle von „Regisseuren“ übernehmen, die die kontinuierliche Erneuerung des Büros lenken und begleiten.  Aber schaden Vepas Refurbishment-Aktivitäten nicht den eigenen Händlern? Die wollen schließlich neue Büromöbel verkaufen. „Nein“, sagt Gertjan de Kam, „im Gegenteil.“ Das neue Geschäftsmodell erlaube es den Vepa-Händlern, hybride Lösungen, einen Mix aus Neumöbeln und Refurbishment, anzubieten. Das Ziel sei eine kontinuierliche Geschäftsbeziehung. „Durch das Refurbishment entsteht für den Handel ein Geschäftsfeld, das von der Baukonjunktur deutlich unabhängiger ist als der reine Verkauf von Neumöbeln.“

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