Das Magazin des German Design Council
Mark Tilden, Spielzeugroboter Roboquad, 2007, Wowwee Group Foto: Die Neue Sammlung (A. Laurenzo)
Robotik im Museum

Robotic Worlds: Inszenierte Zukunft

AusstellungRezensionRobotik
Die Neue Sammlung in München ist 100 Jahre alt – und will mit neuen Ausstellungen näher an die Themen der Zeit rücken. Eine neue Schau widmet sich der Robotik und zeigt zugleich, wie schwierig es ist, ein hochdynamisches Feld in museale Kontexte zu bringen.

Professor Gordon Cheng, Leiter des Lehrstuhls für Kognitive Systeme an der TU München, zählt zu den führenden Robotikforschern Deutschlands. Sein Schwerpunkt liegt auf humanoiden, kognitiven Systemen – und er ist Co-Kurator der Ausstellung „Robotic Worlds“, die am 28. November in der Neuen Sammlung eröffnet hat. Mit seinem Team entwickelte Cheng unter anderem die sogenannte e-Skin, ein flächiges Sensorsystem, das Robotern eine differenzierte Wahrnehmung ihrer Umgebung ermöglicht. Dazu später mehr. 

„Ich genieße das“, sagt Cheng mit Blick auf die derzeitige Welle an Ankündigungen neuer humanoider Roboter. „Seit 25 Jahren arbeite ich an Humanoiden und weiß, wie schwierig ihre Entwicklung ist – weil sie in erster Linie ein kognitives Problem darstellt.“ Gemeint ist die Fähigkeit von Robotern, ihre Umgebung zu erkennen, darauf zu reagieren und eindeutig, schnell sowie sicher mit Menschen zu interagieren. Die e-Skin gilt dabei als ein zentraler Schlüssel zur Lösung dieses Problems. Der aktuelle Entwicklungsschub, so Chang, beruhe auch auf der heute deutlich besseren Verfügbarkeit von Komponenten: „Die Zugänglichkeit hat sich radikal verändert.“ Und wie steht es um die gesellschaftliche Akzeptanz humanoider Maschinen? „Das Uncanny Valley wird verschwinden“, ist Cheng überzeugt. Der Umgang mit anthropomorphen Robotern werde alltäglich, die Interaktion selbstverständlich. Auf die Frage nach seinem Lieblingsexponat in der Ausstellung antwortet er ohne Zögern: „Der HRP-2 dort drüben.“ Der humanoide Forschungsroboter wurde um 2002 in Japan konzipiert und vom Manga-Zeichner Yutaka Izubuchi gestaltet. „Den ‚Spaceman‘ gibt es nur ein paar Mal. Dank meiner Kontakte konnte ich ein Exemplar aus Frankreich für die Ausstellung sichern.“

Vom White Cube zur Produktionsästhetik

„Robotic Worlds steht für einen neuen Ansatz der Ausstellungskonzeption“, betont Sammlungsdirektorin Angelika Nollert. Weniger Ikonen, eine Abkehr von streng chronologischen Erzählungen und stattdessen das Aufzeigen von Querverbindungen sowie stärker zukunftsorientierte Themen – so die programmatische Neuausrichtung. Für 2026 kündigt Nollert Ausstellungen zu Nachhaltigkeit und inklusivem Design an, die neu gedacht und inszeniert werden sollen. Auffällig ist bereits die räumliche Gestaltung von Robotic Worlds: Die Exponate stehen nicht mehr im neutralen White-Cube-Rahmen, sondern auf industriellen Rollbändern oder in Käfigen, wie man sie aus automatisierten Fertigungsumgebungen kennt. Eine zwar naheliegende, aber letztlich zu kurz greifende Analogie des Münchner Designbüros OHA. Denn zum einen reproduziert sie das überkommene Bild, Robotik sei primär ein industrielles Phänomen. Zum anderen dominiert die gelbe Lackierung der verschlungenen Konstruktionen den ohnehin begrenzten Raum so stark, dass einzelne Exponate an Präsenz verlieren.

Schau mit Lücken

Die von Caroline Fuchs verantwortete Ausstellung ist nicht mit „Hello, Robot“ vergleichbar, jener umfassenden Schau, die 2017 vom MAK Wien und dem Vitra Design Museum realisiert wurde. Robotic Worlds versammelt deutlich weniger Exponate und bindet diese kaum in übergeordnete Kontexte ein. Zwar sind zentrale Entwicklungen vertreten – Sonys Roboterhund Aibo, der Social Robot Pepper, der HRP-2 oder ein Cobot mit e-Skin. Doch die Objekte bleiben weitgehend für sich, obwohl sie nebeneinander auf Rollbändern platziert sind. Es entsteht keine stringente Erzählung, kein größeres Bild der Robotik. Der knuffige Socialbot Lovot sitzt auf einem eigens für ihn entworfenen Stuhl. Hier hätte sich die von Caroline Fuchs aufgeworfene, wichtige Frage vertiefen lassen, ob Roboter künftig einen eigenen „Produktzoo“ aus Zubehör, Möbeln und Umgebungen benötigen werden. So bleibt Robotic Worlds trotz beeindruckender Exponate wie der Airarm Grippers, 2012 von einem Team um Axel Thallemer bei Festo entwickelt und klar biomorph gestaltet, seltsam distanziert. Was vollständig fehlt, ist der klassische Industrieroboter – der Kern der industriellen Automatisierung. Auch professionelle Cobots sucht man vergeblich. Das ist schade, aber vielleicht auch dem knappen Raum geschuldet, auf dem sich die Schau entfalten kann. Letzter Kritikpunkt an dieser Stelle: die Exponate harren unbeweglich hinter Plexiglas. So bleibt eine Interaktion genauso verwehrt wie das Erleben der Kinematiken und der dynamischen Bewegungen. Für permanent aktive Roboter wäre, so Caroline Fuchs, eine enge Betreuung durch Spezialisten nötig, mit den verfügbaren Bordmitteln sei das schlicht nicht machbar. Gewünscht hätte man es sich dennoch – zumindest bei einzelnen Exponaten.

Der Schlüssel zur neuen Robotik

Zurück zur e-Skin, einem der spannendsten Exponate: Die kognitive Roboterhaut, um 2012 entwickelt, besteht aus sechseckigen Zellen, die jeweils Sensoren für Druck, Beschleunigung, Abstand und Temperatur enthalten und zum Beispiel erkennen, wenn sich Menschen annähern. Das Resultat sind Roboter mit einer Art Körperwahrnehmung sowie eine lernende Interaktion. Wie diese Haut aufgebaut ist, zeigt die Ausstellung anhand eines kleinen, mehrachsigen Cobots mit der vielgelenkigen Greifhand Allegro aus Korea. Sowohl die Hand wie auch der Roboterarm wurden mit e-Skin aufgerüstet – das bedeutet mehr Sicherheit in der Interaktion und zugleich eine enorm sensitive Hand. Cheng stattete daraufhin den kleinen Humanoiden H-1 mit insgesamt 13000 Sensoren aus, die 1260 Zellen erstrecken sich über den ganzen Körper des Roboters einschließlich der Sohlen. Er vermag so auf Unebenheiten des Bodens zu reagieren und feinfühlig mit Menschen zu interagieren. Leider hat er den Weg aus den Labors in die Ausstellung nicht geschafft, weil er noch für die Forschung gebraucht wird.

Wirklichkeit und Fantasie

„Robotic Worlds“ blickt aber nicht nur auf Hardware allein, sondern begleitet diese auch mit diversen Plakaten und Postern. Dort spielen Roboter Haupt- und Nebenrollen, nicht nur im Kontext von Science-Fiction. Lassen die schon schmunzeln, provoziert die dritte Ausstellungsebene echtes Lachen. 2022 erwarb die Neue Sammlung eine umfangreiche Privatsammlung mit zahlreichen Spielzeugrobotern der 1960er bis 1980er Jahre, die nun erstmals zu sehen sind. Dazu gehören Blechraketen aus Ungarn genauso wie untertassenähnliche Flugobjekte oder kantige Maschinenwesen auf Beinen und Aufziehfunktion. Als Boomer hat man da seine besondere Freude, begegnet man doch seinen tatsächlichen oder erträumten Spielkameraden aus der Kindheit wieder, die aus heutiger Sicht reichlich naiv waren. Kurzum: Ein Abstecher in die Neue Sammlung mit „Robotic Worlds“ lohnt – Zeit sollte man freilich mitbringen, gerade wegen ihrer Kompaktheit bietet es sich an, genau hinzuschauen. Das alles muss nicht gleich morgen sein, denn die Ausstellung läuft noch bis zum 28. November 2027.

Ausstellung

Robotic Worlds

Neue Sammlung München 
Bis 28.11.2027 
www.die-neue-sammlung.de

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